Du betuppst mech!

"Sieben-Schräm" ist kein Glücksspiel!

Georg Michaelis

Es ist der 15. Juli 1910, ein Freitag: Im Gerichtsgebäude in Trier geht es an diesem Tage nicht um's "betuppen" sondern um's "Tuppen". Besser gesagt, um das Kartenspiel "Sieben Schräm ("Siewe Schrimm").


Während draußen über der Stadt Trier eine schwüle Gewitterstimmung liegt, gibt es im Gerichtssaal heiße Köpfe um die Frage: "Ist Sieben Schräm" ein Glücksspiel oder nicht? Es soll eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, die nicht nur für die Eitel, sondern weit darüber hinaus, von geschichtlicher Bedeutung sein wird.
Aber: Wieso kam es überhaupt zu dieser Gerichtsverhandlung?


In der Eifel, aber auch anderswo, so berichtete die Gerichtschronik, war damals (damals?) das "sogenannte Sieben-Schräm-Spiel" ziemlich allgemein verbreitet. Mehrere Arbeiterfrauen aus einem Ort im Kreise Daun hatten sich beim Bürgermeister darüber beschwert, daß ihre Männer leidenschaftlich Karten spielten, wodurch den Familien manchmal der ganze Wochenverdienst verlorengegangen ist.


Die angestellten Ermittlungen ergaben, daß es sich in allen Beschwerdefällen um das "Sieben-Schräm-Spiel" gehandelt hatte. Zunächst machte der Bürgermeister in einem "Zirkular" die Gastwirte auf den Übelstand aufmerksam und er ersuchte sie um Abstellung desselben.


Dann kam's, wie es manchmal kommt: Die Frauen bekamen unerwartet Hilfe. Da war eine "dritte Seite". Die hatte sich erst gar nicht beschwert. Sie hatte sofort Anzeige gegen einer der Gastwirte wegen Duldung eines Glückspieles in seinem Lokal erhoben. Nun kam die Sache richtig in's Rollen.


Sie ging zunächst zum Schöffengericht, der 1. Instanz. Die Angeklagten aber wurden von diesem Gericht freigesprochen, weil es ihnen, wie es so schön hieß, nicht bewußt war, daß "Sieben Schräm" ein Glücksspiel sei.
Also war "Sieben Schräm" doch ein Glücksspiel und es mußte die Berufung erfolgen. Dafür war die Strafkammer in Trier zuständig, die sich nun an diesem schwülen Sommertag vor 70 Jahren damit beschäftigen mußte.


Zunächst konnte die Strafkammer aus der Verhandlung kein klares Bild gewinnen. Der Staatsanwalt "erachtete ein Vergehen im Sinne des Glücksspielparagraphen" und beantragte, den Gastwirt in eine Geldbuße von fünf Mark zu nehmen.


Daraufhin zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Sie dauerte lange. Danach wurde der Beschluß verkündet, nochmals in die Beweisaufnahme einzutreten, um sich das "Sieben-Schräm-Spiel" praktisch vorführen zu lassen.
Der angeschuldigte Wirt und drei der anwesenden Zeugen mußten dann auf Geheiß des Richters vor dem Richterkollequim "unter allgemeiner Heiterkeit", wie der Chronist berichtete, eine Partie "Tuppen" ("Sieben-Schräm") spielen.


Das ließen sich die Eifeler nicht zweimal sagen, wobei "die einzelnen Spieler aufklopften, als säßen sie daheim an ihrem Stammtisch". Nach dieser Partie an diesem heißen Freitag vor 70 Jahren entschied das Gericht:
"Das Kartenspiel "Sieben-Schräm" ist kein Glücksspiel!" Beim "Sieben-Schräm-Spiel", so hieß es in der Urteilsbegründung, "hängt der Ausgang weniger vom Glück, als vom gewandten und kunstfertigem Spiel ab".


Nun wehre ich mich als Verfasser dieses Beitrages ganz energisch gegen die Meinung, "unsere Eifel" sei einmal rückständig gewesen. Wie fortschrittlich waren doch "unsere Tupper" im Gerichtssaal in Trier! Ich wünschte mir, sie lebten noch heute! Und wie ich meine Landsleute kenne: Sie werden im Zug von Trier in den Kreis Daun "Sieben-Schräm" gespielt haben. Sie werden es gespielt haben, bis zum frühen Morgen.


Quellennachwels: "Eifeler Volkszeitung" ("Prümer Zeitung") vom 17., 19. und 20. Juli 1910